Gemeinsam mit einer Gruppe junger Menschen mit Fluchterfahrung wird ein Filmevent organisiert. Es geht bei der Veranstaltung darum, die eigene Kultur, Heimat bzw. Herkunft zu präsentieren. Hierdurch entstehen intensive Begegnungen mit bislang unbekannter Filmkultur sowie mit den Kurator*innen selbst, die ihr Programm und die von ihnen ausgewählten Filme selbst präsentieren. Auf allen Ebenen der Veranstaltungen arbeiten wir gemeinsam, beginnend beim Konzept, Programm, Design, Trailer als auch bei der Untertitelung und schließlich auf der Bühne. Im Fokus steht: Jeder Mensch hat eine eigene Geschichte, bringt viel mit und ist wesentlich mehr als Flüchtling!
Autor*innen
art.space: JFF: Thomas Kupser
Materialien und Tools
Canva, Adobe Premiere, WordPress, Laptop, Kamera, Richtmikro
Zielgruppe
Menschen mit Fluchterfahrung ab 16 Jahren
Zeitraum
ca. 6 Monate vor dem Event
Treffen etwa alle 2 Wochen
Bilder/Videos oä.
Praxis
In einer Gesellschaft, in der viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, ist ein gegenseitiges Verständnis notwendig, hieraus formuliert sich das Kernziel von „Kultur, Habibi.“: eine wertschätzende, widerstandsfähige und vielfältige Zukunft zu fördern, während Filme aus verschiedenen Kulturen präsentiert werden und Menschen einander begegnen. Interkulturelles Verständnis ist eine echte Herausforderung für jede*n Einzelne*n und für die Gesellschaft als Ganzes – für den Zusammenhalt ist es das Wichtigste überhaupt.
„Kultur, Habibi.“ ist sowohl Prozess als auch Event. Diese Herausforderung muss in jeder Phase der Planungen gut mitgedacht werden. Die Veranstaltung baut auf dem Engagement und den zeitlichen Ressourcen der Beteiligten auf. Es geht darum sich als Pädagog*in überflüssig zu machen und den Großteil der Aufgaben an die Beteiligten weiterzugeben. Die Bühne gehört der Zielgruppe. Dies betrifft alle Ebenen des Events: vom Design, über die Auswahl des Präsentierten bis hin zu der Begrüßungsrede.
Die Aufgabe als Pädagog*in ist es also, die Beteiligten dazu zu befähigen möglichst selbstständig zu arbeiten, ohne sie zu überfordern und ihnen etwas aufzuzwingen. Als unterstützende Person arbeitet man somit viel im Hintergrund und greift nur in den Prozess ein, wenn es nötig ist. Das selbstbestimmte Tun der Teilnehmenden darf daher möglichst wenig eingeschränkt werden. Dieser Prozess benötigt deswegen teilweise einer anderen Organisation als eine klassische Veranstaltungsplanung.
Zeitplan
Für die Planung einer derartigen interkulturellen Veranstaltung benötigt man sehr viel Zeit im Vorab. Der erste Schritt dafür ist die Akquise der Zielgruppe. Hierbei ist es von Vorteil Kooperationen mit Institutionen im Bereich Flucht und Asyl zu kontaktieren. Wurde dann eine Gruppe gefunden, geht es erstmal darum, die Beteiligten kennenzulernen, Vertrauen aufzubauen, die Möglichkeiten für ein solches Vorhaben vorzustellen und dies verständlich der Gruppe zu vermitteln. Der Ort dafür sind die regelmäßigen Teamtreffen. Zudem sollte zu jedem Zeitpunkt des Projekts auch immer die Möglichkeit bestehen das Konzept völlig anders zu denken, andere Ideen einfließen zu lassen oder die Veranstaltung doch nicht durchzuführen. Die Gruppe entscheidet zu jedem Punkt im Prozess gemeinsam über den Fortgang des Projekts.
Für die Teamtreffen ist eine angenehme und kreativitätsfördernde Atmosphäre sehr wichtig. Auch der Spaß darf hier nicht zu kurz kommen, da die Teilnehmenden freiwillig zu den Treffen kommen. Zudem ist aufgrund der sprachlichen Hürden das gemeinsame aktive Tun sehr hilfreich. So sind gemeinsame Fotoshootings, das gemeinsame Veranstaltungsdesign (on- und offline, Poster, Flyer, Webseite, Social Media) und Trailer essenziell, um als Gruppe zusammenzuwachsen.
Die Inhalte der Treffen müssen mit den einzelnen Beteiligten gut abgestimmt sein. Die Meilensteine in Bezug auf die Filme im Programm sind allerdings immer gleich: Auswahl der Filme; Filmrechte klären und Film besorgen; Filme ggf. untertiteln und schließlich die konkrete Präsentation am Veranstaltungsort.
Der Anspruch an die Filme im Programm besteht darin, dass sie eine relevante, gleichzeitig individuelle und subjektive Perspektive auf das Herkunftsland ermöglichen. Das Themenspektrum reicht von Krieg und Terror bis hin zu Serien und Soaps mit alltäglichen Themen und romantischen Geschichten. Die endgültige Auswahl ist sehr subjektiv und gleichzeitig komplex. Die Wahl des geeigneten Films ist entscheidend für den weiteren Prozess, da die Person den Film dann auch in der Öffentlichkeit präsentiert und repräsentiert. Eine Herausforderung ist es dann auch die Filme, die meist in keinem Europäischen Verleih zu finden sind, zu bekommen und die Rechte für eine öffentliche Aufführung zu erhalten. Hier lohnt es sich mit anderen in dieser Hinsicht erfahrenen Kooperationspartner*innen zu arbeiten.
Die Untertitelung kann nochmal sehr aufwendig werden, wird aber durch Übersetzungstools (z. B. integriert in YouTube) immer einfacher. Zudem ist es eine wunderbare Möglichkeit gemeinsam Deutsch zu üben.
Weiterhin geht es darum die Veranstaltung zu gestalten und Öffentlichkeitsarbeit dafür zu machen. Dafür ist das gemeinsame Veranstaltungsdesign ausschlaggebend. Die Gruppe gestaltet gemeinsam Poster, Flyer, Banner und Trailer. Dieser gemeinsame kreative Prozess ist für die Gruppe meist der Punkt, an dem sie zusammenwächst.
Für eine gelingende Veranstaltung ist es zwingend, dass die Moderation gut einstudiert ist und das Publikum gut mitgenommen wird. Erstmal muss hierfür die Sprache (Heimatsprache übersetzt oder Deutsch) diskutiert werden. Auch auf das anschließende Q&A (question and answer) muss sich gut vorbereitet werden. Hier können zum Teil auch sehr persönliche, inhaltlich heftige und äußerst filmspezifische Themen aus dem Publikum kommen. Die Beantwortung im Vorfeld gemeinsam zu Üben und die individuellen Grenzen zu kennen, ist essenziell.
Die vielen eventuell traumatischen Erlebnisse der Beteiligten dürfen im Prozess der Vorbereitung und der Filmauswahl nicht außer Acht gelassen werden. Ein professioneller und sensibler Umgang mit dem Thema Traumatisierung ist Grundlage bei den Vorbereitungen. Schließlich gibt der Veranstaltungsort dem Geplanten das Gesicht nach außen. Bestenfalls besteht eine enge Kooperation mit den Verantwortlichen der Location (z. B. Kino, Theater, Kulturzentrum). Möglicherweise unterstützt die Kooperation dann auch die Öffentlichkeitsarbeit der Gruppe und der Abend wird zu einem Erfolg.
Abschluss und Reflektion
Nach der Veranstaltung sollte es unbedingt eine Nachfeier für die Gruppe geben. Hier gibt es keine Verpflichtungen, sondern die Feier steht im Fokus. Vielleicht ist aber die Nachfeier schon der Startpunkt für die nächste Veranstaltung.
Quellen
JFF – Jugend Film Fernsehen e.V. (2016): Kino Asyl. Making of. München.
Wagner, Ulrike (2010): Partizipation mit und über Medien. In: merz | medien und erziehung, Jg. 54, H. 5, S. 11-17
Interessante Links
Hinweis
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