Gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen möchten wir herausfinden, wie Geräusche, Klänge und Musik unsere Wahrnehmung und auch unsere Stimmung beeinflussen können. Beruhigen Naturgeräusche denn wirklich? Welche Art von Musik macht traurig und welche stimmt wieder froh? Mit einem Übertrag der Geräusche, Klänge und Musik in den virtuellen Raum wollen wir diesen SINNhaft erfahrbar machen. Den virtuellen Raum, den wir gemeinsam gestalten und erfahren möchten, stellt uns das populäre Videospiel Minecraft zur Verfügung. Auch hier spielt das sinnhafte Wahrnehmen eine große Rolle, denn im Rahmen dieses Projektes soll der Versuch unternommen werden die eigene Stimmung in der Raumgestaltung und -wirkung widerzuspiegeln.
Um den Kreis zu schließen wird die nach der eigenen Stimmung produzierte Musik in Minecraft als Schallplatte importiert um sich dann sinnhaft in der Raumgestaltung und Atmosphäre zu wiederholen. Ein melancholisches Musikstück könnte also in einer dunklen Höhle beheimatet sein und ein fröhlicher Song würde sich eher in einem Baumhaus voller Lamas wiederfinden.
Autor*innen
art.space: Spawnpoint: Johannes Rück, Thilo Eisermann, Gerrit Neundorf, Christina Vöth, Dixon Wong
Materialien und Tools
Moderationsmaterial: Kreppband, Moderationskarten, Edding, Flipchartstifte
- Laptops (idealerweise 1 Laptop pro TN)
- Computemäuse, ggf. Mauspads
- Kopfhörer
- iPads
- Beamer
- Minecraft Server (gemietet ca. 10€/Monat oder 100€/Jahr)
- Minecraft Accounts (30€/Account; viele Jugendliche besitzen bereits eigenen Account und möchten diesen auch verwenden. Um Ausgrenzung zu vermeiden aber unbedingt eigene Accounts vorhalten)
Zielgruppe
10 – 18 Jahre
Zeitraum
25. Juli – 28. Juli 2022, 4 Tage á 5 h
Bilder/Videos oä.
Einführung
Das Projekt ist eine Reise ins Ungewisse. Technik und virtuelle Räume werden selten mit sinnhaften Erfahrungen in Verbindung gebracht. Dennoch halten wir uns nicht erst seit dem Frühjahr 2020 oft im Digitalen auf. Hier treffen sich Fremde, Kolleg*innen und Freund*innen, tauschen sich aus, besprechen sich oder spielen zusammen, bzw. gegeneinander. All das sind Tätigkeiten, die wir auch aus dem analogen Raum kennen. Videokonferenzen finden analog im Büro oder in einem Besprechungsraum statt, der Austausch mit Freund*innen in einem Café oder einem gemütlichen Wohnzimmer. Diese Räume in der Realwelt sind alle auf irgendeine Art und Weise gestaltet, manchmal mit weniger, manchmal mit mehr Konzept. In digitalen Räumen tritt diese sinnhafte Gestaltungsebene häufig komplett in den Hintergrund. Mit dem Projekt möchten wir genau diese sinnhafte Gestaltungsebene des digitalen Raums untersuchen und bearbeiten.
Dieser Versuch soll aber nicht darin gipfeln, dass Jugendliche einen virtuellen Besprechungsraum „gemütlich“ machen, sondern weitere medien- und musikpädagogische sowie sozialarbeiterische Elemente aufgreifen. Die teilnehmenden Jugendlichen sollen ihren eigenen digitalen Wohlfühlort im Videospiel Minecraft sinnhaft gestalten. Hierzu reflektieren sie ihre eigene Stimmung und Gefühlswelt, um auf dieser Basis:
- ein eigenes Musikstück oder eine eigene Klangkulisse und
- einen individuell gestalteten Ort
zu entwerfen. Verbindendes Element sind dabei die Schallplatte und der Plattenspieler in Minecraft. Im Dateisystem des Spiels können die Musikdateien durch eigene Stücke ausgetauscht werden. Wird im Spiel also die entsprechende Platte aufgelegt läuft der eigene Song.
Am Tag vor Projektbeginn fiel die musikpädagogische Unterstützung aufgrund einer Coronainfektion aus, weshalb der untenstehende Projektablauf zumindest in den musikpädagogischen Bereichen (kursiv) skizzenhaft bleibt.
Praxis
Tag 1
9:00 Uhr | Vorstellungsrunde Name Alter Das verbindet mich mit Videospielen |
9:30 Uhr | Kennenlern- bzw. Warm-Up-Methode: Obstsalat Stuhlkreis bilden mit einem Stuhl weniger als TN. Person, die in der Mitte steht, wirft Aussage in den Raum. „Ich spiele ein Instrument.“ Alle TN, auf welche die Aussage zutrifft, müssen aufstehen und einen neuen Sitzplatz finden. Person, die übrig bleibt gibt neue Aussage ab. Mögliche Fragen im Kontext des Projektes: Ich habe schon einmal Minecraft gespielt. Ich zeichne gerne. Ich habe schon einmal eine Sprühdose benutzt. |
9:45 Uhr | Stimmung reflektieren Wie geht es mir zurzeit? TN tragen momentane Stimmung auf Stimmungsstrahl/ Stimmungsbarometer ein und sollen ihre Stimmung mit 2 – 3 Worten beschreiben und diese ebenfalls anheften. |
10:10 Uhr | Vorstellen, um was es im Projekt geht Über die eigene Stimmung und Gefühle nachdenken. In sich hinein hören. Herausfinden, wie wir mit unserer Stimmung umgehen können. Zuerst sollen TN ihre momentane Stimmung in Musik / Klängen ausdrücken. Wie geht es mir und wie klingt das? Die Musik / Klänge werden dann in Minecraft übertragen. TN können dann einen eigenen Raum passend gestalten. Wie kann ich einen Raum gestalten, der zu meiner Musik und Stimmung passt? |
10:20 Uhr | Gemeinsam Beispiel Musik / Klänge anhören und Stimmung ableiten Verortung 1 – 2 einzelner Musik-/ Klangstücke auf Stimmungsbarometer/ Game-Soundtracks. Z.B.: Minecraft Soundtrack oder Undertale Soundtrack |
10:50 Uhr | Transfer Audio zu Visuell 1 TN sollen im Internet nach passenden Bildern zu vorherigen Musik- /Klangstücken suchen. Instinktiv: Welches Bild passt zu diesem Musikstück? Instinktiv: Warum? Welches Gefühl erzeugt diese Musik- /Klangstück? |
11:20 Uhr | kurze Pause |
11:30 Uhr | TN legen Stimmung fest, die sie in den nächsten Tag bearbeiten möchten Meine Stimmung ist gerade: Ich fühle mich gerade so, weil: Wie gehe ich damit normalerweise um? TN können auch „Stimmungsrollenspiel“ vornehmen = „Ich bin gerade gut drauf, möchte aber die traurige Stimmung bearbeiten.“ à TN füllen vorgefertigten Steckbrief auf iPad aus |
12:15 Uhr | Mittagspause |
13:00 Uhr | Einführung in Minecraft Steuerung kennenlernen Welche Baumaterialien gibt es? Wenn ein passender Ort gefunden wurde sollen TN Plattenspieler als ersten Grundstein setzen Koordinaten der einzelnen Orte aufschreiben (Taste F3: X,Y,Z) |
15:00 Uhr | Schluss |
Tag 2
9:00 Uhr | Ankommen, Warm-Up |
9:15 Uhr | Stimmung in Musik ausdrücken Wie klingt Musik die traurig ist? Wie klingt fröhliche Musik? Welche Art von Musik höre ich, wenn ich traurig bin? Ziel: Sensibilisierung des sinnhaften Erfahrens von Musik. Erzeugen von Stimmung und Gefühlen bewusst / unbewusst |
10:15 Uhr | Beginn Komposition Spannende Fragen wären hier: Wie beginnt man mit der Komposition? Wie gelingt ein einfacher Einstieg? Gibt es ein Grundgerüst für Musik / Klänge? Wie kommen TN von ihrer reflektierten Stimmung zur passenden Musik? |
11:30 Uhr | Einführung Garage Band |
Mittagspause | |
13:00 Uhr | Transfer Audio zu Visuell II TN erstellen Moodboard zu ihrem eigenen Musik- /Klangstück Welche Bilder erzeugt meine Musik? Assoziation? Ggf. Hilfestellung durch Verortung auf Stimmungsbarometer Welche Stimmung schafft die Musik? |
13:45 Uhr | „Probepacken“ vom Ressourcepack mit Rohversion von Musik |
14:00 Uhr | TN erstellen eigenen Skin für ihren Avatar via: minecraftskins.com |
14:15 Uhr | Weiterarbeit in Minecraft |
15:00 Uhr | Schluss |
Tag 3
9:00 Uhr | Ankommen, Warm-Up, Was steht heute an? |
9:20 Uhr | Weiterarbeit an Komposition |
12:15 Uhr | Mittagspause |
13:00 Uhr | TN planen, was noch gemacht werden muss Gegenseitige Vorstellung im Plenum |
13:15 Uhr | Individuelle Raumgestaltung |
15:00 Uhr | Schluss |
9:00 Uhr | Finalisierung Minecraft Konzerthaus – Kosmetik TN schreiben Text auf Tafel(n) in ihren Räumen: Dieser Raum stellt meine Gefühlswelt dar, wenn ich (Gefühl) bin. |
12:15 Uhr | Mittagspause |
13:00 Uhr | letzte Vorbereitungen für Abschlusspräsentation |
13:30 Uhr | Abschlusspräsentation TN geben nacheinander Room-Tour und spielen ihre Musik auf Plattenspieler in Minecraft ab. |
15:00 Uhr | Schluss |
Abschluss und Reflektion
Wie bereits erwähnt, musste das Projekt kurzfristig ohne musikpädagogische Unterstützung realisiert werden. Da im Team selbst niemand diesen Bereich abdecken konnte, fiel das Konzept vorerst wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Ein neuer Plan musste also her. Wir konzentrierten uns auf das Thema „Wohlfühlort“. Bezogen auf Raumgestaltung arbeiteten wir mit folgenden Leitfragen:
- Was tut mir gut?
- Was gefällt mir?
- Warum tut mir das gut, bzw. gefällt es mir?
Zum eigentlichen Kern des Projektes sind wir damit zwar nicht ganz durchgedrungen, haben aber dafür unheimlich viele andere spannende Dinge aufgedeckt und gelernt. Zum Beispiel, dass:
- Tiere wichtig sind.
- Wölfe Ochsen essen würden, aber Ochsen keine Wölfe, denn sie sind Pflanzenfresser.
- es gut tut die Musik einer Band zu hören, deren Konzerte aufgrund von Corona ausfielen, während man am eigenen Wohlfühlort einen ganzen Bühnenbereich für die Band gestaltet.
- sehr viele Lamas in ein Baumhaus passen.
- Schildkröten ihre Eier besser nicht unter Wasser ausbrüten sollten.
Aber auch, dass Jugendliche offen über Stimmungen und Emotionen sprechen, wenn der Rahmen stimmt und dass sie ein Gespür dafür haben, was ihnen guttut. Sie können zudem virtuelle Räume schaffen in denen sie Wohlbefinden erleben können. Oftmals waren diese Wohlfühlorte auch Rückzugs- und Sehnsuchtsorte, die Freiräume für eigene Kreationen boten, die sie sonst evtl. nicht vorfinden. Diese Räume wurden liebevoll bis aufs kleinste Detail gestaltet und dekoriert. Obwohl die Jugendlichen die Orte jede*r für sich selbst gestalteten, besuchten sie sich während der Bauphasen regelmäßig, unterstützen und inspirierten sich gegenseitig und holten sich Feedback ein. Da der musikpädagogische Part komplett ausfiel, gibt es darüber wenig zu schreiben. Für die Durchführung vor Ort konnte spontan ein lokaler Graffit-Künstler gefunden werden. Die Jugendlichen haben die Basics von Graffiti, Tags und Stencils, also Schablonen zum Sprühen gelernt. Im Laufe der Workshoptage wurden mit den neu erlernten Fähigkeiten Jute-Beutel, Skateboards, Bretter und Schildmützen mit popkulturellen Gaming-Referenzen wie dem „Enderman“ und „Creepern“ aus Minecraft, Among-Us-Spielfiguren und vielen weiteren Kunstwerken verziert.
Quellen
- “Mit Minecraft mentale Kraft tanken durch Workshop in Erfurt” – Thüringer Allgemeine
Interessante Links
- Wir haben unseren Server bei g-portal.com gemietet
- Die Jugendlichen haben mit dem Minecraft Skin-Editor das Aussehen ihrer Spielfigur individuell angepasst
Hinweis
Die Veröffentlichung unterliegt folgender Lizenz: CC-BY 4.0 fjmk.de