Ein Tagtool-(Film)Projekt: „Von Brake in die Welt – eine Reise auf und unter dem Wasser“

Das Tagtool-Film-Projekt habe ich zusammen mit dem Schiffahrtsmuseum der oldenburgischen Unterweser realisiert. Das Museum hat insgesamt drei Häuser, eines davon ist der Telegraph in Brake. In den Herbstferien fand vom 14.-22.10.2023 die Veranstaltungsreihe KulturLeuchten Wesermarsch statt. An neun Abenden wurden neun verschiedene kulturelle Einrichtungen im Landkreis Wesermarsch professionell lichttechnisch in Szene gesetzt. Am 22.10.2023 fand die Abschlussveranstaltung am Telegraphen in Brake statt. Im Rahmen dieser Abschlussveranstaltung wurde der Film, der mithilfe der App Tagtool erstellt wurde, gezeigt. Im Workshop haben sich die Kinder und Jugendlichen mit der Ausstellung im Telegraphen beschäftigt und Ausstellungsstücke im Film eingebaut. Hierbei wurden Digitales und Analoges kreativ miteinander verbunden.

Autor*innen

art.space: „Von Brake in die Welt – eine Reise auf und unter dem Wasser“ Ein Tagtool-Projekt mit Kindern und Jugendlichen: Birgit Hedemann

Materialien und Tools

  • mehrere iPads (für jedes Kind eines und ein weiteres für die Workshopleitung; möglichst nicht älter als die 10. Generation (2021))
  • die gleiche Anzahl Apple Pencil der 1. Generation
  • die gleiche Anzahl Ladekabel (das Tagtoolen braucht sehr viel Energie, sodass beim Zeichnen und Animieren ständig Strom benötigt wird)
  • eine ausreichende Anzahl von Steckdosenleisten, ggfs. eine Verlängerungsschnur oder eine Kabeltrommel
  • einen Beamer (mindestens 5.000 Lumen, im Innenbereich reichen 3.000 Lumen)
  • einen HDMI-Adapter von Apple, um das iPad mit dem Beamer verbinden zu können, falls es bei der Präsentation im Außenbereich keinen Stromanschluss gibt, braucht man 
  • noch eine leistungsstarke Powerstation für den Beamer und die iPads
  • wenn man während der Präsentation mobil sein möchte, braucht man noch einen 
  • Transportwagen für den Beamer und die Powerstation
  • um gemeinsam tagtoolen zu können, wird ein stabiles WLAN-Netz benötigt

Vorlagen (nutzbar unter den Lizenzvoraussetzungen s.u. “Hinweise”):

Folgende Apps kamen zum Einsatz:

  • Tagtool (ein iPad wird mit der Pro-Version ausgestattet, für alle anderen Geräte reicht die kostenfreie Basis-Version)
  • Scan thing: scan anything (zum Freistellen fotografierter Objekte)
  • CapCut (zum Schneiden und Vertonen)
  • ggfs. Procreate (zum detaillierten Zeichnen)

Zielgruppe

10-14-jährige Kinder und Jugendliche

Zeitraum

02.09.2023 – 22.10.2023

Bilder/Videos oä. 

Einführung 

Tagtool wurde ursprünglich für eine Live-Performance entwickelt. Da es auch eine Aufnahmefunktion gibt, haben wir die App zweckentfremdet und benutzen sie nun für das Drehen eines Zeichen-Trickfilms. Jede einzelne Szene wird gezeichnet und animiert und dann aufgezeichnet. Zum Schluss werden alle Szenen zu einem Film zusammengeschnitten.

Von meinen Comic- und Trickfilm-Workshops weiß ich, dass die Kinder nicht gerne planen. Sie zeichnen oder filmen einfach darauf los. Das war bei diesem Projekt so nicht möglich. Alle Teilnehmenden haben an einem gemeinsamen Film gearbeitet. Sie haben sich auf eine gemeinsame Filmidee geeinigt. Jede*r war für mehrere Szenen verantwortlich, dabei waren die Protagonisten immer identisch. Deswegen musste im Vorhinein jede Szene genau geplant werden, damit es nicht zu Brüchen oder Doppelungen kommt. Eine genaue Absprache und Planung waren also besonders wichtig.

Eine besondere Herausforderung war es, den Film als Stummfilm zu konzipieren. Während der Abschlusspräsentation im Rahmen von KulturLeuchten Wesermarsch gab es ein vielfältiges Rahmenprogramm (Rundgang mit einem Nachtwächter, Laternenlauf, Auftritt einer Sängerin). Schon wegen der Sängerin mussten wir auf eine Vertonung unseres Filmes verzichten. Die Kinder standen also vor der Herausforderung, einen Film zu drehen, in dem allein die Bilder die Geschichte verständlich vermitteln. 

An den vier Workshoptagen haben wir uns jeweils für drei Stunden am Samstagvormittag getroffen. Die Zeit war sehr knapp bemessen. Es hat nur funktioniert, weil alle Kinder bis auf eine Ausnahme schon vorher bei mir an einem Comic-Workshop teilgenommen hatten. Sie konnten schon mit dem iPad umgehen und kannten bereits die Apps Procreate und Scan thing : scan anything. Lediglich Tagtool kam als neues Tool hinzu. Sollten die Teilnehmenden über dieses Vorwissen noch nicht verfügen, würde ich einen weiteren Workshoptag einplanen.

Damit die Geschichte zum Gesamtprojekt KulturLeuchten Wesermarsch passt, haben das Museum und ich den Kindern den Anfang der Geschichte vorgegeben: 

In Brake sausen nachts Fledermäuse um den Telegraphen herum. Ein Containerschiff macht am Hafen fest. In einem Container aus China befindet sich ein blinder Passagier: eine riesige Fledermaus, die sich schon bald zu den heimischen Fledermäusen am Telegraphen gesellt.

Diese Geschichte sollten die Kinder weiterspinnen. Die Geschichte wurde den Kindern als Film gezeigt, den ich mithilfe von Tagtool erstellt hatte. So hatten die Teilnehmenden schon gleich einen Eindruck davon, was man mit der App machen kann.

Praxis 

1. Workshoptag: 02.09.2023• Kennenlernen
• Vorstellung des Projekts
• Einführung in Tagtool
• Zeigen des Films mit dem Anfang der Geschichte
• Sammeln von ersten Ideen, wie die Geschichte weitergehen 
  könnte
• Besichtigung des Telegraphen, wo wir in der Ausstellung 
  nach Gegenständen Ausschau gehalten haben, die zu 
  unserer Geschichte passen könnten
• ein Kind hat die Gegenstände mit dem iPad fotografiert
2. Workshoptag: 09.09.2023• Wir schauen uns noch einmal den Film mit dem Anfang der 
  Geschichte an
• die Kinder sammeln Ideen, wie die Geschichte weitergehen
  soll
• es wird abgestimmt, welche Idee weiterverfolgt werden soll
• mithilfe eines Geschichten-Bauplans wird die Geschichte 
  ausgearbeitet
• die Kinder teilen untereinander auf, was gezeichnet werden 
  muss (Fledermäuse, Flughund, Telegraph, Containerschiff, 
  Container, Landkarte, Segelschiff)
• die Kinder beginnen mit dem Zeichnen
3. Workshoptag: 30.09.2023• Aufteilung der Geschichte in einzelne Szenen mithilfe eines 
  Videoplans
• Weiterzeichnen der Figuren und Gegenstände
• Austausch der Figuren und Gegenstände mittels Airdrop
• Arrangieren und Animieren der ersten Szenen
• jedes Kind ist für mehrere Szenen verantwortlich
• die Kinder suchen sich selber aus, welche Szene sie 
  zeichnen möchten
• es wird darauf geachtet, dass ähnliche Szenen vom selben 
  Kind erstellt werden
• ist eine Szene fertig gezeichnet und animiert, wird sie 
  aufgenommen
• die Workshopleiterin streicht ab, welche Szenen schon fertig 
  sind
4. Workshoptag: 07.10.2023• Fertigstellen der letzten Szenen
• Üben des gemeinsamen Zeichnens und Animierens in einer 
  Multisession
• Besprechen der geplanten Abschlussveranstaltung am 
  Telegraphen
• Üben, wie man anderen Tagtool erklären kann
Abschlussveranstaltung• im Rahmen von KulturLeuchten Wesermarsch wird unser 
  Film zweimal gezeigt
• zwischen den beiden Filmvorführungen und im Anschluss 
  haben drei Kinder der Gruppe live gezeichnet und den 
  Zuschauern gezeigt, wie Tagtool funktioniert
• nach kurzer Zeit haben auch Zuschauer mitgezeichnet und 
  animiert

Erste Übung in Tagtool zum Kennenlernen der App

Als ich den Teilnehmenden die App erklärt habe, haben sie parallel ein Gesicht gezeichnet, das sie dann animiert haben (rollende Augen, wackelnde Ohren, wehende Haare, zuckende Münder und Nasen). Diese Gesichter haben sie dann mit ihren Namen versehen und anschließend für den Abspann unseres Films verwendet.

Gut zu wissen:

  • In einer Multisession können bis zu fünf Teilnehmende gemeinsam zeichnen und animieren. Dafür muss auf einem iPad die Pro-Version von Tagtool installiert sein. Bei den anderen iPads reicht die Basis-Version.
  • Alle Geräte, die an einer Multisession teilnehmen wollen, müssen dieselbe Version von Tagtool installiert haben.
  • Alle Geräte, die an einer Session teilnehmen wollen, müssen im selben WLAN-Netz eingeloggt sein.
  • Zeichnet man für sich alleine in Tagtool und möchte dann das Gezeichnete in der Session zeigen, muss man zunächst alles speichern. Sobald man sich ins Netzwerk einwählt, geht das verloren, was auf der Zeichenfläche zu sehen ist und muss erst wieder vom Deck auf die Malfläche gezogen werden.
  • Da Tagtool und Procreate auf demselben Prinzip beruhen (Zeichnen auf mehreren Ebenen), kann auch in Procreate gezeichnet werden und das Gezeichnete dann in Tagtool eingeladen werden.

Abschluss und Reflektion

Wenn ich meine Trickfilm-Workshops anbiete, dann interessiert sich kaum ein Kind für den Zeichentrick. Das Zeichnen der Figuren ist einfach zu aufwendig und langwierig. Ganz anders sieht das in der App Tagtool aus. Hier genügen wenige Schritte, um eine Figur zu zeichnen und dann zu animieren. Einzelne Szenen können in der App aufgenommen werden und später zu einem Film zusammengeschnitten werden. Die App ist sehr leicht zu bedienen und die Teilnehmenden konnten sie sehr schnell umsetzen. Hinzukommt, dass sich die Kinder und Jugendlichen viel eher begeistern lassen, wenn sie auf dem iPad anstatt auf Papier arbeiten dürfen.

Ein Tagtool-Film-Projekt ist sehr gut geeignet, wenn die Kinder und Jugendlichen partizipativ und kollaborativ arbeiten sollen. Die Kinder müssen sich im Vorfeld über den Inhalt, die Protagonisten und die Handlungsorte absprechen. Jedes Kind übernimmt ein zu zeichnendes Objekt und stellt es dann den anderen Kindern zur Verfügung. Die Geschichte muss Szene für Szene genau geplant werden und später auch genauso umgesetzt werden, damit es nicht zu Doppelungen oder Brüchen kommt. Einer muss den Überblick behalten (in diesem Fall die Workshopleiterin) und genau notieren, wer welche Szene gestaltet hat.

Etwas kompliziert war es, beim Schneiden die richtige Reihenfolge der Szenen einzuhalten. Leider ist es nicht möglich, die einzelnen Videos namentlich zu kennzeichnen oder ihnen eine fortlaufende Nummer zuzuweisen. Man kann sich behelfen, indem man in der Foto-Mediathek auf dem iPad für jede Szene einen Ordner anlegt und diese dann in der richtigen Reihenfolge nummeriert.

Für den Filmschnitt wurde die App CapCut benutzt. Diese App eignet sich auch hervorragend, wenn man im Anschluss den Film noch vertonen möchte. Ist eine Vertonung geplant, sollte man hierfür einen weiteren Workshoptag veranschlagen. Auch ein sehr ruhiger Raum und ein Mikrofon sind dafür von Vorteil.

Als sehr gut hat sich herausgestellt, den Kindern vor dem Besuch des Museums schon den Einstiegsfilm zu zeigen. So gingen sie sehr zielgerichtet durch die Ausstellung und sammelten schon erste Ideen und Ausstellungsstücke in Form von Fotos für ihren Film. Sie setzten sich damit auseinander, was man für eine Seereise braucht und suchten sich diese Gegenstände zusammen.

Der gezeigte Einstiegsfilm war dazu gedacht, den Teilnehmenden bei der Findung einer Idee für ihre Geschichte zu unterstützen. Der Einstieg war aber nicht in Stein gemeißelt. So wurde aus der Riesen-Fledermaus aus China ein Flughund. Da Flughunde Vegetarier sind und sich nicht wie die heimischen Fledermäuse von Insekten ernähren, gab es damit ein Problem, für das eine Lösung gefunden werden musste.

Interessante Links

• Eine kurze Erklärung der App Tagtool auf deutsch
• Ein ausführlicher, kostenpflichtiger Kurs mit deutschen Untertiteln

Hinweis

Die Veröffentlichung unterliegt folgender Lizenz: CC-BY 4.0 fjmk.de